Wolke 9 - oder die Frage nach der Normalität im Kino 

Wertes Tagebuch,

gestern habe ich einen Film gesehen, Wolke 9, der an vielen Stellen schon ausreichend diskutiert worden ist, weil man da nämlich ( um jemanden zu zitieren, der es rein vom Intellekt her durchaus anders hätte formulieren können- aber betrachten wir es als Stilmittel)
"1 1/2 Stunden alten Leuten beim Poppen zugucken kann !".

Es gibt dazu viele Gedankenansätze, "will man dass sehen?"- "will man in dem Altern überhaupt noch poppen- oder lieber einfach seine Ruhe haben?" ( um Herrn Martenstein aufzugreifen ).

Mein Ansatz dazu wäre "Wieviel ungeschönte nackte Nahaufnahmen vertragen wir überhaupt?" ( nachdem unsere Augen über Jahre von Körpern verwöhnt wurden, die nicht nur für sich schon eine gewissen Attraktivität mitbringen, sondern im Kino durch Licht/Schatten, Bettdecken und eine romantische Geschichte geschliffen werden- und wenn wir Nahaufnahmen geboten bekommen, dann meist nur von verheissungsvollen Augenblicken, und nicht von Bauchfalten, ohne die bekanntlich nicht einmal superschlanke Menschen auskommen.

Weisst Du worauf ich hinaus will ??
Von meinem Grundansatz her würde ich ja jetzt ein großes Plädoyer für die FKK Kultur vom Stapel lassen, dass man sich einfach öfter mal wieder mit "normalen" Körpern auseinander setzt, und nicht mit dem gehypten und gepuschten Zeug was einem die Medien vorsetzen.
Und wenn die Medien einem etwas anderes vorsetzen- dann fungiert es genau wie die Schönheit als Mittel.
Wenn wir Hässlichkeit konsumieren, dann geht es eben darum, dass Menschen einen explizieten Makel haben (...aber dafür wunderschön Glocken läuten können, oder vielleicht Buchsbäume und Frisuren trimmen können).
Aber wir finden selten die "normalen Menschen im Kino"-
die die Größe 42 tragen, die bei denen die Frisur nicht immer sitz, die auch mal drei Pickel haben und beim Griff in den Kleiderschrank nicht immer das glücklichste Händchen haben.
Und ich frag mich, ob wir diese ganzen normalen Menschen tatsächlich im Kino sehen wollen würden.
Oder ist Film eben immer noch das Medium der Flucht in eine Story, da wo die Menschen eben ganz anders sind als im normalen Leben. Extrem schön, oder extrem hässlich, besosnders schlau, vom Leid geprüft, aber immens tapfer.
Ich glaube, wir gehen ins Kino, damit wir ein bißchen aus dem Alltag rauskommen. So tragisch das irgendwo ist, schöne Leute gucken gehört anscheinend zur Flucht aus dem Alltag dazu.

Wenn ein Film wie Wolke 9 uns so unglaublich nah an alte Körper und die Intimität und Lust der Menschen ranlässt, dann ist das eine Funktion, ein Stilmittel-
aber es ist - zumindest vom jetztigen Stand- wohl mutmasslich und leider genausowenig normal
wie hochpuschte Modelschönheiten und Superhelden mit Bärenkräften.

Bis bald,
Deine Gnomorella
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